Meldung vom 04.07.2022
© Stefan Häusler, Abdruck honorarfrei
Mag. Rainer Kraft und Birgit Kronberger MBA, Geschäftsführung Vorlagenportal
Müssen Arbeitnehmer während des Urlaubs erreichbar sein?
Nein. Eine Pflicht zur Erreichbarkeit während des Urlaubs (zum Beispiel Rufbereitschaft) ist mit dem Urlaubszweck absolut unvereinbar. Zweck des Urlaubs ist laut einschlägiger Judikatur der Arbeitsgerichte die Erholung, die freie Entfaltung der Persönlichkeit, die Weiterbildung sowie die Lebensbereicherung ("Freizeitwert") für die Arbeitnehmer.
Das bedeutet zweierlei: Der Arbeitnehmer kann im Urlaub das (private oder dienstliche) Smartphone, den Firmenlaptop & Co getrost abgeschaltet lassen. Er ist auch nicht verpflichtet, dienstliche E-Mails zu checken und auf dienstliche Anfragen und Rückrufersuchen muss er grundsätzlich nicht reagieren.
Entfaltet der Arbeitnehmer während seines Urlaubs mit Billigung seines Arbeitgebers dienstliche Tätigkeiten, die über bloße Minimalkontakte (kurze informative Auskunft per Telefon) hinausgehen, stellt dies die Wirksamkeit des Urlaubskonsums infrage. Der Arbeitgeber riskiert, dass zumindest ein Teil des vereinbarten Urlaubszeitraums nicht als Urlaubskonsum gewertet wird und daher nicht vom Urlaubskonto abgebucht werden darf.
Darf der Arbeitnehmer den Urlaub einseitig antreten?
Prinzipiell nein. Der Zeitpunkt des Urlaubsantritts unterliegt im Normalfall der Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Ein einseitiger Urlaubsantritt ist daher grundsätzlich unzulässig und könnte zu einer fristlosen Entlassung wegen unentschuldigten Fernbleibens vom Dienst führen. Ausnahmen vom Vereinbarungsprinzip beim Urlaubskonsum kennt das Gesetz nur wenige.
Ein einseitiger Urlaubsantritt ist etwa in folgenden beiden Fällen zulässig: beispielsweise zur notwendigen Pflege eines erkrankten, im gemeinsamen Haushalt lebenden unter 12-jährigen Kindes, wenn der Pflegeurlaubsanspruch bereits ausgeschöpft wurde; oder in Betrieben mit Betriebsrat, wenn der Arbeitnehmer seinen Wunsch nach einem mindestens 2-wöchigen Urlaubskonsum bereits 3 Monate im Voraus bekanntgegeben hat und trotz Intervention des Betriebsrats keine Einigung mit dem Arbeitgeber und keine Klagseinbringung durch den Arbeitgeber erfolgte.
Ist ein Betriebsurlaub möglich?
Ja, aber nur aufgrund individueller Vereinbarung. Die in manchen Betrieben übliche Praxis, den Betrieb für einige Wochen im Jahr zuzusperren und für diese Zeit einfach einen Betriebsurlaub anzuordnen, steht arbeitsrechtlich auf sehr wackeligen Beinen. Es fehlt hier nämlich an der - laut Urlaubsgesetz erforderlichen - individuellen Vereinbarung des Urlaubsverbrauchs. Auch eine Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat reicht arbeitsrechtlich nicht aus.
Eine individuelle Urlaubsvereinbarung kann aber zustande kommen, wenn die einzelnen Arbeitnehmer ausdrücklich oder schlüssig dem Betriebsurlaub zustimmen. Eine schlüssige Zustimmung der einzelnen Arbeitnehmer kann etwa darin liegen, dass sie den vom Arbeitgeber durch Mail-Aussendung angekündigten Betriebsurlaub widerspruchslos zur Kenntnis nehmen und tatsächlich zuhause bleiben.
Praktischer Tipp: Es kann bereits im Dienstvertrag ein alljährlich wiederkehrender Betriebsurlaub verankert werden. Voraussetzung für die Rechtsgültigkeit einer solchen Vorausvereinbarung ist, dass der Betriebsurlaub nicht den gesamten Jahresurlaub verplant (praktische Empfehlung: maximal 2 Wochen jährlich) und dass der zeitliche Rahmen des Betriebsurlaubs möglichst genau fixiert ist (zum Beispiel jeweils die ersten beiden August-Wochen).
Kann eine getroffene Urlaubsvereinbarung einseitig widerrufen werden?
Im Normalfall nein. Ein einmal vereinbarter Urlaub ist für beide Seiten verbindlich. Ein einseitiger Widerruf der Urlaubsvereinbarung ist daher laut Judikatur nur in absoluten Ausnahmefällen bei Vorliegen außergewöhnlich wichtiger Gründe zulässig:
Ein Rücktritt des Arbeitgebers von einer getroffenen Urlaubsvereinbarung ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Inanspruchnahme des Arbeitnehmers im vereinbarten Urlaubszeitraum zur Vermeidung wirtschaftlicher Nachteile für das Unternehmen unumgänglich notwendig ist. Darunter fällt beispielsweise der drohende Verlust eines Großauftrags, nicht hingegen jeder Personalengpass wegen Erkrankung von Arbeitskollegen.
Ein Rücktritt des Arbeitnehmers von der Urlaubsvereinbarung kommt vor allem infrage, wenn ihm der Urlaubsverbrauch wegen eigener Erkrankung oder Erkrankung eines nahen Angehörigen nicht zumutbar ist. Diesfalls ist die Abklärung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sinnvoll, ob der Arbeitnehmer von der gesamten Urlaubsvereinbarung zurücktreten möchte, oder ob er bei Wiedergenesung lieber nahtlos vom Krankenstand in den Urlaub wechseln möchte. Ein Arbeitsantritt zwischen Krankenstand und Urlaub ist nicht notwendig.
Wer trägt die Stornokosten, wenn auf Wunsch des Arbeitgebers die Reise nicht angetreten wird?
Es gilt das Verursacherprinzip: der Arbeitgeber. Wie erwähnt, hat der Arbeitgeber nur in besonderen Ausnahmefällen (zum Beispiel bei drohendem schweren Schaden für den Betrieb) das Recht, den Arbeitnehmer entgegen einer getroffenen Urlaubsvereinbarung zum Erscheinen in der Arbeit aufzufordern.
Liegt nun ein solcher Ausnahmefall vor oder nimmt der Arbeitnehmer auf Bitten des Arbeitgebers freiwillig vom Urlaubsantritt Abstand, hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer schadlos zu halten. Das heißt, er muss für eventuelle Stornokosten für eine bereits gebuchte Urlaubsreise aufkommen.
Was passiert, wenn der Arbeitnehmer im Urlaub erkrankt?
Das kommt auf die Dauer der Erkrankung an. Urlaubskonsum wird durch einen Krankenstand nur dann unterbrochen, wenn dieser länger als 3 Kalendertage andauert (Samstage, Sonntage und Feiertage zählen mit). Weiters ist Voraussetzung, dass der Krankenstand nicht grob schuldhaft herbeigeführt wurde (grob fahrlässig wäre etwa ein durch Trunkenheit am Steuer verursachter Verkehrsunfall), der Arbeitnehmer den Krankenstand unverzüglich meldet und bei Wiederantritt des Dienstes eine ärztliche Krankschreibung vorlegt.
Achtung: Die Krankheit verlängert den Urlaub nicht! Nach dem Ende des vereinbarten Urlaubs ist jedenfalls der Dienst anzutreten. Die Konsumation der krankheitsbedingt „versäumten“ Urlaubstage ist zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer neu zu vereinbaren.
Welche Formalitäten sind bei Erkrankung im Ausland zu beachten?
Abklärung mit der österreichischen Krankenkasse. Der Arbeitnehmer hat nach Rückkehr vom Auslandsaufenthalt die ausländische Krankschreibung ehestmöglich der Krankenkasse in Österreich vorzulegen. Nach erfolgter Prüfung durch den medizinischen Dienst der Krankenkasse wird auf Antrag des Arbeitnehmers eine österreichische Krankenstandsbestätigung ausgestellt.
Ereignet sich die Erkrankung beziehungsweise der Unfall in einem Nicht-EU/EWR-Land, muss der Arbeitnehmer - neben dem Attest des ausländischen Arztes - eine behördliche Bescheinigung (Konsulat oder ausländischer Sozialversicherungsträger) vorlegen, mit der bestätigt wird, dass der behandelnde Arzt zur Ausübung des Arztberufes befugt ist. Wird die Behandlung in einem Krankenhaus durchgeführt, kann eine solche Bescheinigung unterbleiben.
Ist eine Kündigung während des Urlaubs möglich?
Prinzipiell ja. Lediglich bei Arbeitern in Saisonbranchen mit sehr kurzer kollektivvertraglicher Kündigungsfrist (14 Tage oder noch kürzer) ist nach Ansicht der Arbeitsgerichte eine vom Arbeitgeber während des Urlaubs ausgesprochene Kündigung als rechtswidrig einzustufen: Die Kündigung steht in einem solchen Fall mit dem Erholungszweck des Urlaubs in Widerspruch, da sie den Arbeitnehmer zur Arbeitssuche während des Urlaubs zwingen würde.
In allen anderen Fällen ist eine Kündigung während des Urlaubs arbeitsrechtlich durchaus zulässig, kann aber zu abwesenheitsbedingten Zustellproblemen führen. Ist der Arbeitnehmer nämlich infolge einer Urlaubsreise ortsabwesend, kann er natürlich nicht mit einer Kündigung rechnen. Das Schreiben gilt daher erst dann als zugegangen, wenn es dem Arbeitnehmer möglich ist, das Schreiben entgegenzunehmen. Dies ist im Falle eines postalisch hinterlegten Einschreibens der nächste Postöffnungstag nach der Rückkehr von der Urlaubsreise, da der Arbeitnehmer erst an diesem Tag den Brief beheben kann.