Meldung vom 13.09.2022
Forschung muss da beginnen, wo Erkrankungen ihren Anfang nehmen: im Kindesalter. Die Salzburger Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, die Universitätsklinik für Kinder- und Jugendchirurgie und das Universitätsinstitut für Humangenetik gründen das YOUNG.HOPEForschungszentrum für Kinder- und Jugendmedizin. Das YOUNG.HOPEZentrum beforscht Stoffwechselerkrankungen, Ernährungs- und Entwicklungsstörungen bei Kindern und ist damit international führend auf dem Gebiet. Nach einem internen Entwicklungsprozess geht YOUNG.HOPE nun mit Webauftritt, Informationsmaterial und Pressearbeit an die Öffentlichkeit, um für mehr Bewusstsein in der medizinischen Gesellschaft und der Bevölkerung zu sorgen.
"In der Therapie von Kindern gibt es grundsätzliche Defizite gegenüber der Versorgung von Erwachsenen. Dies betrifft die Verfügbarkeit von für Kinder zugelassene Medikamente ebenso wie die Verfügbarkeit bestimmter technischer Equipments für diffizile Operationsverfahren", erklärt Prof. Metzger, Vorstand der Uniklinik für Kinder- und Jugendchirurgie.
Das YOUNG.HOPE Forschungszentrum ist spezialisiert auf die Diagnose, Ursachenforschung und maßgeschneiderte Therapie von Kindern mit Stoffwechselerkrankungen, Ernährungs- und Entwicklungsstörungen. Ziel des YOUNG.HOPE Forschungszentrums ist es, bis dahin unklare Erkrankungen der Kinder zu verstehen, sie zu benennen und im Sinne einer individualisierten Präzisionsmedizin neue und schonende Behandlungskonzepte zu entwickeln und anzubieten. Dies umfasst auch die Entwicklung von optimalen, minimal-invasiven chirurgischen Therapien für Frühgeborene und Säuglinge mit kompliziertem Start ins Leben. Durch die Forschungsarbeit von YOUNG.HOPE kann immer wieder ein weitgehend normales Alltagsleben ermöglicht werden, teilweise ist durch bahnbrechende Erkenntnisse sogar eine vollständige Gesundung möglich.
Hoffnung, Fürsorge, Heilung abseits des Rampenlichts
Oft ist die Ausgangssituation der Kinder scheinbar hoffnungslos und verzweifelt. Bei seltenen Krankheiten, wie sie bei den jungen Patient*innen auftreten, ist der Weg von den ersten Symptomen bis hin zum Beginn einer geeigneten Behandlung oft lang. Eltern und Familien pilgern von einem zum nächsten Spezialisten. Dadurch geht wertvolle Zeit verloren.
Ein besonderer Schwerpunkt von YOUNG.HOPE liegt in der Behandlung von Kindern mit seltenen angeborenen Stoffwechselerkrankungen und Entwicklungsstörungen. "Weltweit gibt es mehr als 1500 verschiedene Stoffwechselerkrankungen, die durch einen Defekt in einem einzelnen Gen bedingt sind“, berichtet PD Dr. Dieter Kotzot, Leiter des Universitätsinstituts für Humangenetik am Uniklinikum. Jede einzelne dieser Krankheiten ist sehr selten. Oft sind nur wenige Kinder in ganz Österreich oder sogar der ganzen Welt betroffen. Sie hatten bislang häufig keinerlei Aussicht auf eine Klärung der Ursache und noch weniger auf eine Therapie.
Bei YOUNG.HOPE laufen die Fäden von Forschung und Patient*innenversorgung zusammen. "Es geht um Forschung für schwerkranke Kinder, die nicht im Rampenlicht stehen, die unzureichende medizinisch-wissenschaftliche Aufmerksamkeit bekommen und daher zu wenig Hoffnung, Fürsorge und Heilung erfahren. Es braucht ein Team mit herausragendem medizinischen Wissen, tiefem anatomischen, biochemischen und genetischen Verständnis, das sich dieser Patient*innen annimmt“, ergänzt Prof. Daniel Weghuber, Vorstand der Uniklinik für Kinder- und Jugendheilkunde die Mission des Forschungszentrums.
"Was hier passiert sind keine Wunder, sondern das Ergebnis unserer Forschungen. Sie zeigt uns neue Möglichkeiten, um die Beschwerden von Kindern mit komplexen, seltenen und auch erstmalig aufgetreten Krankheiten zu lindern oder gar zu heilen“, beschreibt Professorin Barbara Kofler, Leiterin des Spezial- und Forschungslabors.
Weitere Forschungsschwerpunkte
Auf dem Gebiet der Neonatologie werden entwicklungsfördernde Betreuung, Frühgeborenenernährung, insbesondere Muttermilchbestandteile, beforscht. "Unser Ziel ist es, mit umfassender Einbeziehung der Eltern in die Frühgeborenenbetreuung ein weitgehend ungestörtes Wachstum außerhalb des Mutterleibes zu ermöglichen. Dadurch können Schäden an den Organen gemindert oder verhindert werden“, erklärt Prof. Martin Wald, Leiter der Division für Neonatologie.
Auch Forschungsgebiete der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendchirurgie sind Teil von YOUNG.HOPE. Besonders im Bereich der Embryologie und der 3D-Darstellung und Vermessung von Organen während ihrer Entwicklung mittels Mikro-CT konnten Forschungslücken geschlossen und wissenschaftliche Fehlannahmen widerlegt werden. Weiters wird über das Blasenmanagement nach Querschnittsverletzungen und die nicht bewusst gesteuerten Bewegungen im Magen-Darm- und Harntrakt geforscht.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf dem Gebiet der erworbenen Stoffwechselerkrankungen, insbesondere der Adipositas, dem Spezialgebiet von Professor Weghuber. Adipositas hat oft schon in der Kindheit ihren Ursprung. Folgeerkrankungen beginnen früh, Stigmatisierung ist häufig. Deshalb gilt es, Begleiterkrankungen möglichst früh zu erkennen und zu therapieren. Ein besonderes Augenmerk liegt in der Entwicklung neuer (medikamentöser) Behandlungsmöglichkeiten und der Prävention.
Durch die Kooperation des Salzburger Uniklinikums und der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität ist ein Forschungsprojekt immer direkt auf die Versorgung von Patient*innen fokussiert. "Eine Universität ist kein Elfenbeinturm: Lehre, Forschung und Krankenversorgung sind heute untrennbar miteinander verbunden“, betont Prof. Dr. Wolfgang Sperl, Kinderarzt und Rektor der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität. "Gute Forschung ist nur dort möglich, wo es gute Krankenversorgung gibt, und nur wo es gute Krankenversorgung gibt, kann gute Forschung betrieben werden“, ist Sperl überzeugt.
"Es ist ein Vorurteil, dass man angeborene Stoffwechselerkrankungen und andere seltene genetische Krankheiten nicht behandeln kann. Unser Forschungszentrum liefert Beweise, dass das nicht stimmt“, ist Privatdozent Dr. Paul Sungler, Geschäftsführer des Uniklinikums, überzeugt. Deshalb ist es so wichtig, die Erfolgsgeschichten zu teilen, um Betroffenen Mut zu machen. Sie erzählen beispielsweise von Kindern, die trotz schwerer Stoffwechselerkrankungen, Entwicklungsstörungen oder seltener Gen-Defekte die Schule besuchen oder sprechen lernen konnten. "Wir forschen, damit aus Schicksal Hoffnung und aus Hoffnung Zukunft wird“, fasst Prof. Dr. Weghuber die Motivation des Teams zusammen.
Erfolgsgeschichten
Sarah
Sarah hat einen Gendefekt, durch den ihr Körper einen bestimmten Zucker nicht richtig herstellen kann. Bis zum 4. Lebensjahr wurde sie künstlich durch eine Sonde ernährt. Sie war immer schwach und müde, konnte lange nicht sprechen und laufen und war in vielen Bereichen stark entwicklungsverzögert. Nach Untersuchungen und der Diagnose im YOUNG.HOPE Forschungszentrum wurde Ihre Therapie bestimmt: 3 Löffel Fucosezucker/Tag. Durch diese Behandlung konnte Sarah ihren Entwicklungsrückstand aufholen, begann zu sprechen und lernte laufen. Heute ist sie eine lebensfrohe Volksschülerin.
Maria
Maria hat eine sehr seltene Stoffwechselstörung. Als Kind und Jugendliche hatte sie starke Schmerzen und war oft krank, Wunden konnten kaum verheilen und entzündeten sich schnell – Marias Selbstbewusstsein und Sozialleben litten darunter. Dank der Behandlung am YOUNG.HOPE Forschungszentrum geht es ihr viel besser, sie ist schmerzfrei, lebensfroh und unternehmungslustig.
Bobbi
Bobbi wurde aufgrund verminderter Kindesbewegungen während eines Urlaubs ihrer niederländischen Eltern in Salzburg per Kaiserschnitt mit einem Geburtsgewicht von 2.170 Gramm geboren. Untersuchungen ergaben, dass die kleine Bobbi an einer sehr seltenen angeborene Speiseröhrenfehlbildung litt (Ösophagusatresie), die aufgrund einer Kontinuitätsunterbrechung der Speiseröhre eine normale Ernährung verunmöglichte. Eine Verlegung in die niederländische Heimat der Familie war nicht möglich und so führte Prof. Metzger mit seinem Team bei Bobbi mit einem Körpergewicht von knapp 2000 Gramm die erste minimalinvasive Rekonstruktion dieser Fehlbildung in Österreich durch. Die Operation verlief komplikationslos und sehr erfolgreich, sodass Bobbi einen Monat später völlig gesund entlassen werden und mit ihren Eltern heimreisen konnte.