Das Dilemma mit der Kündigungsfrist im Hotel- und Gastgewerbe Das Chaos um die Kündigungsfrist für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe nimmt kein Ende. Wenn Wirtschaftskammer und Gewerkschaft ein und dieselbe Entscheidung des Obersten Gerichtshofes völlig konträr auslegen, dann greift in der betrieblichen Praxis blanke Ratlosigkeit um sich. Ein trauriges Beispiel, in welchem Zustand sich die österreichische Gesetzgebung und Teile der Sozialpartnerschaft derzeit befinden. Rohrbach bei Mattersburg, 31. Mai 2022 - Seit 1. Oktober 2021 gelten auch für Arbeiter die strengeren (sprich: längeren) Kündigungsfristen wie bei Angestellten (abhängig von der Dauer der Betriebszugehörigkeit zwischen 6 Wochen und 5 Monaten), wobei die Kündigungsfrist mit Quartalsende bzw. – falls dienstvertraglich vorgesehen – zum 15. oder Monatsletzten enden muss. Das Gesetz lässt aber in Branchen, in denen Saisonbetriebe überwiegen, abweichende Kündigungsregelungen durch Kollektivvertrag zu. Diese Ausnahme trägt dem Umstand Rechnung, dass in überwiegend wetterabhängigen Branchen mehr Flexibilität erforderlich ist und daher weiterhin kürzere Fristen möglich sein sollen. Im Hotel- und Gastgewerbe tobt aber zwischen der Wirtschaftskammer und der Gewerkschaft seit Monaten ein massiver Meinungskonflikt: Während laut Ansicht der Wirtschaftskammer das österreichische Hotel- und Gastgewerbe eindeutig als überwiegende Saisonbranche anzusehen ist und daher die im Hotel- und Gastgewerbe-Kollektivvertrag für Köche, Kellner, Servicekräfte, Reinigungskräfte etc. vorgesehene 14-Tage-Kündigungsfrist weiterhin gültig bleibt, verneint die Gewerkschaft den überwiegenden Saisoncharakter und fordert die Anwendung der neuen gesetzlichen Kündigungsregelung. So entschied der OGH Eine aktuelle Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 24.03.2022 (Geschäftszahl 9 ObA 116/21f) hat zur strittigen Frage des überwiegenden Saisoncharakters des österreichischen Hotel- und Gastgewerbes leider nicht die erhoffte Klärung gebracht. Die OGH-Entscheidung besagt nur, dass das von der WKO bisher vorgelegte Datenmaterial den überwiegenden Saisoncharakter nicht ausreichend nachweisen kann. Es bleibt aber offen, ob der Nachweis in der Zukunft ggf. doch noch gelingen könnte. Wenn die Arbeiterkammer zweimal klingelt … „Ungeachtet der Unklarheit beginnt die Arbeiterkammer derzeit damit, von Hotel- und Gastgewerbebetrieben, die in letzter Zeit unter Einhaltung der KV-Frist von 14-Tagen gekündigt hatten, die Zahlung einer Kündigungsentschädigung einzufordern (für die fiktive gesetzliche Kündigungsfrist)“, erklärt die Geschäftsführung vom Vorlagenportal Mag. Rainer Kraft und Birgit Kronberger, MBA. Als – offenbar politisch motivierte „Begleitmusik“ – hat die Gewerkschaft in einer aktuellen Presseaussendung gar die – juristisch völlig undifferenzierte – Falschinformation verbreitet, dass durch die OGH-Entscheidung eine endgültige Klärung erfolgt sei. Ein möglicher Ausweg aus dem Dilemma Für künftig anstehende Kündigungen sollten aus Vorsichtsgründen – sofern mangels Zustimmung des Arbeitnehmers keine einvernehmliche Auflösung möglich ist – bis auf weiteres die gesetzlichen (also längeren) Kündigungsfristen eingehalten werden. Bezüglich bereits ausgesprochener Kündigungen ist die Sache bei einer Arbeiterkammer-Urgenz brisanter: Falls betroffene Hotel- und Gastgewerbebetriebe nicht in „vorauseilendem Gehorsam“ der Rechtsansicht der Arbeiterkammer und Gewerkschaft folgen möchten, kann versucht werden, dem Arbeitnehmer bzw. der Arbeiterkammer einen Kompromiss anzubieten. So könnte dem Arbeitnehmer bzw. der Arbeiterkammer beispielsweise das Angebot unterbreitet werden, im Rahmen eines Vergleichsabschlusses 50 % der geforderten Kündigungsentschädigung zu zahlen und damit das für beide Seiten drohende Prozessrisiko zu beseitigen.