Kein Kündigungsschutz durch Kurzarbeit Rohrbach bei Mattersburg, 6. Dezember 2021 – Seit Beginn der Coronakrise rätseln Betriebe und Mitarbeiter über eine zentrale arbeitsrechtliche Frage zur Kurzarbeit: Gilt für Mitarbeiter in Kurzarbeit in Österreich ein besonderer Kündigungsschutz? Der Oberste Gerichtshof hat entschieden, und die Entscheidung fällt für viele Insider durchaus überraschend aus. Was regelt die Kurzarbeitsrichtlinie? Die Gesetzesgrundlage für Kurzarbeit (§ 37b Arbeitsmarktservicegesetz) sieht vor, dass Betriebe den Beschäftigtenstand während der Kurzarbeit und einer daran anschließenden Behaltefrist (von i.d.R. einem Monat) aufrechterhalten müssen. Demnach sind betriebliche Kündigungen in dieser Zeit laut der von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden erarbeiteten Sozialpartnervereinbarung – von wenigen Ausnahmen abgesehen – unzulässig. Sehr strittig war bislang allerdings, was konkret in jenen Fällen gelten soll, wenn sich der Arbeitgeber nicht an die Pflicht zur Beibehaltung des Beschäftigtenstandes hält. Die Gewerkschaft pochte bislang vehement darauf, dass die Kurzarbeit einen individuellen Kündigungsschutz für die einzelnen Arbeitnehmer begründe (echtes Kündigungsverbot) und entgegenstehende Kündigungen arbeitsrechtlich unwirksam seien. Von Arbeitgeberverbänden (z. B. der Wirtschaftskammer) wurde hingegen die Meinung vertreten, dass die Aufrechterhaltung des Beschäftigtenstandes keine arbeitsrechtliche Unwirksamkeit nach sich ziehe, sondern lediglich förderrechtliche Bedeutung (Kürzung der AMS-Kurzarbeitsbeihilfe) habe. Die überraschende Entscheidung des Obersten Gerichtshofes Entgegen der Gewerkschaftsansicht hat der OGH in einem kürzlich veröffentlichten Urteil entschieden, dass eine Arbeitgeberkündigung, die während der Kurzarbeit oder der anschließenden einmonatigen Behaltefrist ausgesprochen wird, arbeitsrechtlich trotzdem gültig bleibt und bei unterlassener Nachbesetzung nur zur Kürzung der AMS-Kurzarbeitsbeihilfe führt (OGH vom 22.10.2021, Geschäftszahl 8 ObA 48/21y). Warum aus Betriebssicht dennoch Umsicht geboten ist Ungeachtet dessen sollten die Betriebe bei geplanten Kündigungen während der Kurzarbeit bzw. einmonatigen Behaltefrist stets mit Bedacht vorgehen. Dem gekündigten Arbeitnehmer steht es nämlich nach den allgemeinen Regeln des Betriebsverfassungsrechts offen, bei Vorliegen besonderer sozialer Umstände (lange Betriebszugehörigkeit, höheres Alter, schlechte Jobchancen, Sorgepflichten etc.) beim Arbeits- und Sozialgericht eine Anfechtung wegen Sozialwidrigkeit (§ 105 Abs. 3 Z. 2 ArbVG) einzuleiten. Im Rahmen der Sozialwidrigkeitsbeurteilung ist vom Gericht zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber für die Zeit der Kurzarbeit ohnehin AMS-Förderungen erhält. Dieser letzte Aspekt kann also im Ergebnis doch wieder einen gewissen Schutzeffekt für Arbeitnehmer (und damit ein entsprechendes Risiko für den kündigenden Arbeitgeber) bewirken.