„Aufzugsbranche ist IT-Vorreiter“ Eine Standortbestimmung der Mobilität durch Aufzüge und Fahrtreppen Wien, 28. November 2019 - Mit der Aussage, dass die Aufzugsbranche ein IT-Vorreiter ist, überraschten unisono DI Dr. Stefan Haas, CEO TÜV AUSTRIA und DI Roman Teichert, Geschäftsführer Otis Österreich anlässlich des Fachgesprächs „Urban Mobility – zwischen Visionen und Sicherheit“. Die Veranstaltung fand am 26. November in der Industriellenvereinigung Wien statt. Städte wachsen rapid Österreichs Bevölkerung wächst jedes Jahr um rund 0,5 Prozent, vergrößert sich also um das Äquivalent der Stadt Dornbirn. Das stellt neue Anforderungen an die Mobilität innerhalb der Stadt aber auch in Gebäuden. „In Wien beobachten wir schon lange die steigende Anzahl der Bauprojekte. Ob Wohngebäude oder Bürokomplex – Gebäude werden derzeit höher und immer vernetzter“, fasst Roman Teichert die bestehende Situation zusammen. Die Verdichtung des Wohnraumes bei fortschreitender Digitalisierung und Vernetzung eröffnet neue Perspektiven aber auch Angriffsflächen. „Diese komfortable, digitale und vernetzte Zukunft ist jedoch auch angreifbarer,“ betont Haas, „Infrastrukturen, personenbezogene Daten und die Privatsphäre müssen geschützt werden.” Heutige Rechenleistung ermöglicht eine neue Service-Philosophie „Fakt ist, dass die neue Generation der Aufzüge smart sein wird“, erklärt Teichert, „und deren Verfügbarkeit in Richtung 100 Prozent geht.“ Ein wesentlicher Grund für diesen Technologiesprung in der Verfügbarkeit ist der Einsatz von viel mehr Sensorik. Prädiktive Wartung verändert den Wartungsservice von Aufzügen und Fahrtreppen nachhaltig. „Schon vor rund 20 Jahren hat Otis damit begonnen Condition Based Maintenance – also anlassbezogene Aufzugswartung zu betreiben“, erzählt Teichert. Die Daten wurden damals gesammelt und bei Abweichungen entsprechende Maßnahmen ergriffen. Bis heute war schlichtweg die Rechenleistung im Hintergrund nicht ausreichend, um all die gesammelten Daten auszuwerten. Das hat sich geändert und gerade auch deswegen kann Otis nun auch Störungen mit hoher Genauigkeit vorhersagen.“ TÜV AUSTRIA CEO Stefan Haas ergänzt, dass die Auswertung von Daten durch Wartungsfirmen und Prüfinstitute zu verbesserter Sicherheit und Verfügbarkeit führen können, wenn die Daten zuverlässig sind und korrekt interpretiert werden. Prädiktive Wartung fördert Nachhaltigkeit Prädiktive Wartung wird einen großen Beitrag zur Nachhaltigkeit wegen des damit verbundenen geringeren Materialeinsatzes leisten. Die Sensoren in Aufzügen und Fahrtreppen können heute kleinste Unregelmäßigkeiten erkennen, bevor noch ein (größerer) Schaden auftritt. „Wenn es also im Aufzug nur irgendwo leicht ungewohnt scheppert, werden die Daten in der Cloud verglichen und so aus dem bisherigen Erfahrungsschatz die Servicemaßnahmen abgeleitet. Wir beobachten die Tendenz, dass die Interessen der Kunden immer mehr zu den Vorteilen der Vernetzung wandern.“ Die Sensorik im Gebäude ermöglicht deutliche Einsparungen im Energieverbrauch, sei es für Strom oder zum Heizen. Somit verschiebt sich der Fokus vom Aufzug als reines Produkt hin zu dessen Peripherie. „Sicherlich werden Einsparungen aufgrund der prädiktiven Wartung entstehen, doch um die richtigen Schlüsse aus der gewaltigen Datenmenge ziehen zu können, ist eine hohe und kostenintensive Rechenleistung nötig“, so Teichert. Das Berufsbild des klassischen Monteurs wird sich in Richtung Datenanalytiker erweitern. TÜV AUSTRIA CEO Haas ergänzt: „Man dürfe aber nicht übersehen, dass sich nicht alle gefährlichen Zustände durch Sensoren erkennen lassen, insbesondere im Umfeld der Aufzugsanlage” Haas sieht den unabhängigen Prüftechniker auch in Zukunft direkt an der Anlage: „Die Vorort-Überprüfung wird nicht vollständig ersetzbar sein. TÜV AUSTRIA nimmt sich als Prüfunternehmen ausreichend Zeit, neben der sicheren Aufzugsfunktion auch das Umfeld der Aufzugsanlage entsprechend zu überprüfen, um einen sicheren Betrieb zu gewährleisten.“ Für Haas und Teichert ist klar, dass die vollkommene Digitalisierung noch längere Zeit benötigt. Interaktion mit dem Fahrgast Mit dem Einsatz Künstlicher Intelligenz wird sich auch die Fahrt im Aufzug verändern. „Mit Siri, Alexa und anderen Sprachassistenten haben wir bereits heute eine Idee, in welche Richtung sich die Interaktion mit unserer Umwelt verschieben kann“, ist sich Teichert sicher. „Die Zeit, in der der Aufzug den Fahrgast erkennt, genau weiß, in welches Stockwerk er fahren muss und während der Fahrzeit personalisierte Informationen auf einem interaktiven Display im Aufzug wiedergibt, ist technologisch schon erreicht.“ Es stellt sich die Frage nach den Testdaten für das richtige Anlernen von KI-Systemen, erklärt TÜV AUSTRIA CEO Haas: „Auch KI-Systeme sind täusch- und angreifbar.“ Daher verlange der Fortschritt in Richtung KI Verantwortung, merkt Haas an, ein integriertes Sicherheits- und Datenschutzkonzept zu implementieren. Ist der Kunde schon so weit? Die Frage ist aber, welche Voraussetzungen geschaffen werden müssen, dass sowohl der Kunde als auch verantwortliche Institutionen diese technischen Innovationen akzeptieren. „Die fortlaufende Digitalisierung darf Fahrgäste nicht überfordern. Eine transparente und einfache Bedienbarkeit von Aufzugsanlagen muss auch in Zukunft gegeben sein“, beurteilt TÜV AUSTRIA CEO Haas die Akzeptanz in der Öffentlichkeit: „Der Umgang mit personenbezogenen Informationen, wie z.B. Erfassung von Bewegungsdaten, wird besonders zu beachten sein.“ Teichert fügt hinzu, dass technisch schon vieles möglich sei, aber der Beharrungsfaktor der Kunden nicht unterschätzt werden solle, wenn der gewohnte Aufzugsmonteur nicht mehr regelmäßig kommt. Faktor Mensch ist zu beachten „Um den Faktor Mensch ausreichend zu berücksichtigen steht es für TÜV AUSTRIA außer Frage, dass unabhängige Prüftechniker direkt an der Anlage auch in Zukunft tätig sein müssen, um die Sicherheit der Anlagen für Fahrgäste auf dem gewohnt hohen Stand zu halten.“ Teichert verweist auf die Innovationskraft als Aufzugshersteller: „Otis arbeitet intensiv daran, mittels Kommunikationslösungen wie eView die Kommunikation innerhalb der Gebäude zu verbessern und damit den menschlichen Faktor in der Sicherheit zu verringern.“ Vor geraumer Zeit hat Otis eine repräsentative Studie zum Thema Sicherheit im Aufzug unter 1.000 ÖsterreicherInnen durchgeführt. Das Ergebnis: ein sehr hoher Prozentsatz weiß nicht Bescheid, dass der Aufzug das sicherste Verkehrsmittel ist und viel zu viele fürchten sich sogar davor im Aufzug zu fahren. Diese Studie wird Anfang 2020 präsentiert. Blackout muss kein Thema mehr sein „Die Stadt der Zukunft wird mehr Energie benötigen als heutige Städte. Auch wird aufgrund des Klimawandels und der daraus resultierenden ‚Kühlspitzen‘ die Anzahl der Stromausfälle steigen. „Schon seit 20 Jahren bietet Otis bei neuen Aufzügen einen regenerativen Antrieb, der Energie ins Gebäude rückspeisen kann. Mit dem Gen2 Switch hat Otis schon vor mehreren Jahren ein Produkt entwickelt, das für den Betrieb durch Wind- und Solarenergie entwickelt wurde“, erklärt Teichert zu diesem Punkt. Otis verzeichnete im vergangenen Jahr eine stetig steigende Anzahl der Kundenanfragen zur Vernetzung des Aufzugs. Haas setzt fort, dass TÜV AUSTRIA jede Anlage als integralen Bestandteil eines Systems betrachte, die Österreichs größtes Prüf-, Inspektions- und Zertifizierungsunternehmen über Connected Services erfasse: „So vereint TÜV AUSTRIA im Bereich Real Estate umfangreiche Kompetenzen in den Bereichen Bautechnik, technische Gebäudeausrüstung, Gebäudesicherheit, Barrierefreiheit, Umweltschutz, Wasserhygiene, Cybersecurity und Energiemanagement bis hin zu E-Ladeinfrastruktur.“ Resümee „Die Stadt von morgen ist vernetzt, smart und effizient. Vieles funktioniert technologisch zwar schon heute, letztlich aber kommt es auf die Akzeptanz durch die Menschen an“, so Teichert. TÜV AUSTRIA CEO Haas blickt in die Zukunft: „Damit der Aufzug das sicherste Verkehrsmittel bleibt, müssen Hersteller, Betreiber und Prüforganisationen wie TÜV AUSTRIA aufgrund der Internetanbindungen und Datenströme der Anlagen zunehmend partnerschaftlich neben dem Fokus auf die „Funktionale Sicherheit“ vermehrt auch Aspekte der IT-Sicherheit berücksichtigen.“