Vorlagenportal: Warum rückwirkende Steuersenkungen Segen und Fluch zugleich sind Rohrbach bei Mattersburg, 3. Juli 2020 – Die Bundesregierung hat vor wenigen Tagen einen Gesetzesentwurf mit dem sperrigen Titel „Konjunkturstärkungsgesetz 2020“ herausgebracht, der eine rückwirkende Senkung der Lohn- und Einkommensteuer vorsieht. Der Steuersatz der ersten Steuertarifstufe soll demnach rückwirkend mit 1.1.2020 von 25 % auf 20 % gesenkt werden. Dadurch ergibt sich eine monatliche Steuerersparnis von bis zu € 29,17 pro Kopf. Damit die Arbeitnehmer möglichst schnell von der Steuersenkung profitieren, sollen die Arbeitgeber zur Rollung in der Lohnverrechnung verpflichtet sein. „Auch wenn die geplante Steuersenkung an sich erfreulich ist, löst sie bei Mitarbeitern im HR-Bereich und in der Personalverrechnung Unbehagen aus“, erklärt die Vorlagenportal Geschäftsführung, Mag. Rainer Kraft und Birgit Kronberger, MBA. „Die Umsetzung wird mit verhältnismäßig hohem Administrationsaufwand verbunden sein. Die den Betrieben aufgebürdete Aufrollungspflicht bedeutet nämlich, dass alle Monate des Jahres unter Berücksichtigung des geänderten Steuertarifs neu abgerechnet werden müssen. Manche werden sich nun vermutlich denken, dass dies in Zeiten der Digitalisierung wohl kein großer Aufwand sein kann. Aber ganz so einfach ist es leider nicht. Abgesehen davon, dass die erforderlichen Lohn-Updates von den Softwareherstellern innerhalb kürzester Zeit programmiert und von den Betrieben unter größtem Zeitdruck umgesetzt werden müssen, werden von Politikern auch die zahlreichen Folgen rückwirkender Abrechnungsänderungen nicht mitbedacht.“ Lohnbestätigungen Da wären z.B. die Gehalts- und Lohnbestätigungen, die von der Personalverrechnung während des Jahres für verschiedenste Bereiche ausgestellt werden (z.B. Arbeits- und Entgeltsbestätigungen für Wochengeld, Einkommensbescheinigungen für Wohnbeihilfe etc.). Dabei ist oftmals die Angabe des Nettobezuges vorgesehen, welcher sich bei Änderungen des Steuertarifs entsprechend ändert. Im Falle einer rückwirkenden Steueränderung wären daher streng genommen alle im laufenden Jahr bereits ausgestellten Bestätigungen anzupassen. Dass dies einen erheblichen Zusatzaufwand in der betrieblichen Personalverwaltung darstellt und unangenehme Folgen für die betroffenen Mitarbeiter nach sich ziehen kann (z.B. Verlust von Beihilfen wegen rückwirkender Überschreitung von Zuverdienstgrenzen), versteht sich von selbst. Anpassung von Unterhaltsbemessungen Ein weiterer Punkt betrifft das Unterhaltsrecht. Für die Unterhaltsbemessung ist bei unselbständig Erwerbstätigen (Angestellten, Arbeitern, öffentlich Bediensteten) das Einkommen des Unterhaltspflichtigen nach Abzug von Sozialversicherung und Lohnsteuer heranzuziehen. Eine rückwirkende gesetzliche Änderung der Lohnsteuer hat somit unmittelbare Auswirkungen auf die Höhe der Unterhaltspflicht. Eine rückwirkende Abänderung von womöglich tausenden Unterhaltsbeschlüssen österreichweit könnte die Folge sein. Lohnpfändungen Im Falle von Gehaltsexekutionen hat der Arbeitgeber das Existenzminimum und die pfändbaren Beträge ausgehend vom Netto zu ermitteln. Auch hier stellt sich ein ähnliches Problem. Ändern sich nachträglich die Steuern, muss das Existenzminimum neu errechnet und der pfändbare Betrag dementsprechend angepasst werden. Dies kann im Einzelfall zu schwierigen Nachzahlungs- oder Rückabwicklungsfragen führen. Fazit: Segen und Fluch zugleich Rückwirkende Änderungen scheinen derzeit politisch sehr im Trend zu sein. Vor allem rückwirkende Steuerentlastungen werden den Bürgern gerne als besonders großzügiges „Zuckerl“ verkauft und von diesen oftmals auch positiv empfunden. Allerdings werden die damit verbundenen rechtlichen und administrativen Komplikationen leider meist nicht bedacht und verursachen hohen zusätzlichen Bürokratieaufwand. Gerne stellt das Vorlagenportal auch Journalisten sein Know-how zur Verfügung! Aktuelle Themen finden Sie auf https://www.vorlagenportal.at/top-news